Welche Gene machen den Hund bunt?

Von PD Dr. Ina Pfeiffer

Die Forschung zur Klärung der Entstehung von Fellfarben beim „besten Freund“ des Menschen hat in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht. Man kennt inzwischen sieben Gene, die maßgeblich für die Fellfarben und -musterung beim Hund verantwortlich sind.

Mit den aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten wurde ein komplexes Netzwerk der unterschiedlichsten Interaktionen verschiedenster „Farb-Gene“ entschlüsselt.

Im Folgenden sollen die neuen Erkenntnisse in einem kurzen Überblick erläutert werden.

Einführung

Im Vergleich zu anderen Haustieren weist der Hund die größte Bandbreite an Fellfarben auf. Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt man sich mit der Frage, welche Vererbungsmuster und wie viele Gene dafür verantwortlich sein mögen. Die ersten Vermutungen wurden anhand von züchterischen Erfahrungen aufgestellt.

Die Zuchtordnungen einiger Rassehundezuchtvereine gestatten – oft aufgrund gemachter oder überlieferter Erfahrungen – nicht immer alle vorkommenden Farbschläge. Dieser Artikel kann möglicherweise einigen Züchtern Erklärungen aufzeigen, warum in ihren Würfen Welpen mit bestimmten Farb- und Muster-Phänomenen gefallen sein können.

Die „Basis-Fellfarben“

Das erste Gen, welches erfolgreich beim Hund hinsichtlich der Entstehung der Fellfarbe untersucht wurde, war der sogenannte Melanocortin-1 Rezeptor (MC1R). Die Forscher Newton (1) und Everts (2) entdeckten mit ihren Mitarbeitern eine spezielle Mutation (E-Locus) innerhalb des Gens, welcher für die so genannte rote Fellfarbe verantwortlich sein soll. Innerhalb desselben Gens konnte Sheila Schmutz (3) eine weitere genetische Veränderung aufzeigen, die bei bestimmten Hunden für das entstehen einer sogenannten Maske verantwortlich ist. Bei braunem oder schwarzem Fell sieht man dieses Phänomen allerdings nicht; es wird überdeckt.

Die Fellfarbe Braun konnte einer bestimmten Position auf dem Erbmolekül (DNA) zugeordnet werden: dem TYRP1-Gen (4) (Tyrosinase-Related Protein 1). Mittlerweile wurden drei verschiedene Allele dieses Gens entdeckt, die in jeder Kombination zur braunen Fellfarbe führen. Bei einer Variante wird ein unvollständiges Gen-Produkt gebildet, d.h. es fehlt ein Stück der kompletten Information. In einem anderen Fall wurde ein Baustein ausgelassen, d.h. eine Aminosäure wird nicht eingebaut und in einer dritten Ausprägung ist einfach eine Aminosäure durch eine andere ersetzt worden. Ob und in welcher Häufigkeit welche Allele vorkommen, ist inzwischen bei ca. 28 Rassen untersucht worden. In diesem Zusammenhang wurden auch noch sehr seltene Mutationen entdeckt, deren Funktion allerdings noch nicht wirklich erklärt werden kann.

Ferner konnte Sheila Schmutz (4) zeigen, dass es auch Wechselwirkungen zwischen den Genen TYRP1 und MC1R geben kann. Je nachdem welche Genotypen hier zusammentreffen, nehmen diese Einfluss auf die Ausprägung der Nasenfarbe der Hunde.

Ein anderes wichtiges Gen für die Fellfarbe ist das sogennannte „Agouti-Signal-Peptid“ (ASIP). Von ASIP hat man bisher vier Varianten gefunden (5), die sich in einer bestimmten Hierarchie präsentieren: Der Wildtyp verursacht beispielsweise, dass im Haar eine Bänderung von abwechselnd Eumelanin (Pigment für Schwarz oder Braun), Phäomelanin (Pigment für Rot oder Gelb) und wieder Eumelanin gebildet wird. Ein anderes Allel, dass in diesem Zusammenhang als rezessiv eingestuft wird, verursacht schwarze Haare. Diese Variante wird in erster Linie bei Hütehunden vorgefunden. Eine weitere Variante, bei der zwei Aminosäuren ausgetauscht sind, soll für die Fellfarbe Fawn/Beige verantwortlich sein, sie wurde inzwischen bei 22 Hunderassen vorgefunden (6). Eine vierte Gen-Änderung wurde häufig bei sogenannten „Black and Tan“-Hunden festgestellt. Inwiefern hier noch weitere Varianten Einfluß auf die Farbe nehmen wird die Zukunft zeigen.

Was verursacht ein Gen in der Farbpalette, das normalerweise eine Funktion im Immungeschehen übernimmt? Diese Frage mögen sich Greg Barsh (7) und seine Kollegen gestellt haben, als sie einen Zusammenhang eines „Immungens“ mit der schwarzen Fellfarbe herausfanden.

Völlig überraschend offenbarte sich Beta-Defensin als Farbgeber. Normalerweise ist es durch seine Funktion bei der Immunabwehr bekannt.

Auffällig war in diesem Zusammenhang, dass es bei den untersuchten Hunderassen mehrere, unterschiedlich aufgebaute Varianten ein und desselben Gens gibt: Die eine erzeugt gelbes, die andere schwarzes Fell.
Vermutlich kontrolliert das Beta-Defensin den Weg des Melanokortin-Stoffwechsels, eines Schaltkreises mit Wechselwirkungen, der bestimmt, welcher Typ des Pigments Melanin, Eu- oder Phäomelanin, gebildet wird.
Die Forscher konnten an Mäusen zeigen, dass Sie mit Ihrer Annahme richtig lagen: Nager mit der „Schwarz-Variante“ des Gens zeigten, wie vermutet, schwarzes Fell. Die vorgeschlagenen zwei Varianten dieses Gens reichten aus, um zum Beispiel festzustellen: Ein weisser Dalmatiner mit schwarzen Punkten ist genetisch gesehen, eigentlich rein schwarz. Beigefarbene Pudel oder der Irish Red Setter sind dagegen genetisch als hell, bzw. gelb anzusehen.

Andererseits haben diese Ergebnisse wieder einmal dokumentiert, dass manche Gene ausgesprochen vielfältig in ihrer Funktion sind und keine Einbahnstrassen darstellen.

Es bleibt abzuwarten, welche weiteren interessanten Möglichkeiten sich in naher Zukunft aus der Genfamilie des Beta-Defensins ableiten lassen und wie diese Erkenntnisse für die züchterische Praxis genutzt werden können.

Die Farbabstufungen

In diesem Zusammenhang spielt das Gen Melanophilin eine nicht zu unterschätzende Rolle:
Bei vielen Hunderassen ist bekannt, dass immer wieder Exemplare vorkommen, die eine weniger intensive Fellfarbe – anders ausgedrückt-, eine verwaschene oder ergraute Fellfarbe – aufweisen können. Interessanterweise gibt es Hunde, bei welchen von Geburt an die Farbe verblasst oder ein sogenanntes Umfärben zum Grau einsetzt. Eine spezielle Genvariante im Melanophilin-Gen (MLPH) konnte von Frau Philipp (8) und ihren Kollegen (2005) beim Dobermann, Deutschen Pinscher, Großen Münsterländer und dem Beagle, als sogenannter Verdünnungsfaktor (engl. Dilution), aufgezeigt werden. Mitterweile wurde dieser Faktor bei ca. 20 Hunderassen entschlüsselt.

Weisse Flecken

Bei den verschiedenen Hunderassen lassen sich die unterschiedlichsten Muster und Flecken ausfindig machen. Bis 2006 waren die möglicherweise beteiligten Gene unbekannt.

Eine Studie an der Iowa State Universität von Rothschild und Kollegen (9) konnte nun einen Zusammenhang zwischen dem MITF-Gen (Mikrophtalmie assoziierter Transkriptionsfaktor) und der Vererbung von Flecken beim Neufundländer herstellen. Eine weitere Untersuchung brachte ans Tageslicht, dass die weissen Flecken bei Boxern ebenfalls mit diesem Gen in Verbindung zu bringen sein könnten. Die Forschung ist allerdings auf diesem Sektor längst nicht abgeschlossen und es wird sicher in naher Zukunft noch interessante Neuigkeiten zum Thema weisse Fecken geben.

Merle

2006 zeigten Clark und Mitarbeiter (10), dass ein spezielles genetisches Element im SILV- Gen (Silver-Locus-Gen), genannt SINE, für „Merle“ verantworlich sein soll. Bereits 1985 hatten sich Forscher darüber Gedanken gemacht, warum bei bestimmten Verpaarungen „Merle“ Welpen fallen, obwohl die Eltern weder „Merle“ noch Weiss als Fellfarbe zeigten. Da es sich bei SINE-Elementen um spezielle, verschiebbare genetische Bausteine handelt, könnten sie dieses für uns bisher verschlüsselte Phänomen erklären. Vertiefende Arbeiten mit etlichen Hunderassen bestätigten jetzt, dass diese spezielle DNA-Eigenart höchstwahrscheinlich für „Merle“ von Bedeutung ist. Mittlerweile kann man seinen Hund auf das Vorhandensein dieser genetischen Variante testen lassen.

Eine Erbkrankheit, welche mit bestimmten Pigmentierungsprozessen verknüpft ist

Das Grey-Collie-Syndrom (11) oder anders ausgedrückt, die zyklische Neutropenie, ist eine Krankheit, die bei Collies zu Problemen führen kann. Dabei tritt im AP3 Gen eine Mutation auf, die neben einem Ergrauen der Fellfarbe zu einer Neutropenie (Mangel an peripher zirkulierenden neutrophilen Granulozyten (Zellen der Immunabwehr) führen kann. Durch die Störung der Blutbildung (Verminderung der neutrophilen Granulozyten) tritt eine erhöhte Veranlagung für Infektionen auf. Besonders betroffen sind die Schleimhäute. Die mangelnde Infektionsabwehr führt häufig noch vor der Geschlechtsreife zum Tod des betroffenen Hundes.

Kurz gesagt, hier ist eine silbergraue Farbaufhellung eng mit einer Störung der Blutbildung verbunden.

Zusammenfassend gibt es sicher neben den erläuterten wichtigsten Genen noch viel zu erforschen, insbesondere die „Farb-Spezialitäten“ bei bestimmen Hunderassen. Da die Technologien hierzu rasant weiterentwickelt werden, darf man gespannt sein, welche neuen Erkenntnisse uns die nahe Zukunft bringen wird.

Zitate

(1) Newton J.M., Wilkie A.L., He L., Jordan S.A., Metallinos D.L., Holmes
N.G., Jackson I.J. & Barsh G.S. (2000) Melanocortin 1 receptor variation
in the domestic dog. Mammalian Genome 11, 24–30.

(2) Everts R.E., Rothuizen J. & van Oost B.A. (2000) Identification of a
premature stop codon in the melanocyte-stimulating hormone
receptor gene (MC1R) in Labrador and Golden retrievers with
yellow coat colour. Animal Genetics 31, 194–9.

(3) Schmutz S.M., Berryere T.G., Ellinwood N.M., Kerns J.A. & Barsh
G.S. (2003a) MC1R studies in dogs with melanistic mask or
brindle patterns. Journal of Heredity 94, 69–73

(4) Schmutz S.M., Berryere T.G. & Goldfinch A.D. (2002) TYRP1 and
MC1R genotypes and their effects on coat colour in dogs.
Mammalian Genome 13, 380–7.

(5) Kerns J.A., Newton J., Berryere T.G., Rubin E.M., Cheng J.-F.,
Schmutz S.M & Barsh G.S. (2004) Characterization of the dog
Agouti gene and identification of a nonagouti mutation in German
Shepherd Dogs. Mammalian Genome 15, 798–808.

(6) Berryere T.G., Kerns J.A., Barsh G.S. & Schmutz S.M. (2005)
Association of an agouti allele with fawn or sable coat colour in
domestic dogs. Mammalian Genome 16, 262–72.

(7) Candille S.I., Kaelin C.B., Cattanach B.M., Yu B., Thompson D.A.,
Nix M.A., Kerns J.A., Schmutz S.M., Millhauser G.L. & Barsh
G.S. (2007) A beta-defensin mutation causes black coat color
in domestic dogs. S Science 30, 1418 – 1423

(8) Philipp U., Hamann H., Mecklenburg L., Nishino S., Mignot E.,
Schmutz S.M. & Leeb T. (2005) Polymorphisms within the canine
MLPH gene are associated with dilute coat colour in dogs. BMC
Genetics 6, 34–49.

(9) Rothschild M.F., Van Cleave P.S., Carlstrom L.P., Glenn K.L. &
Ellinwood N.M. (2006) Association of MITF with white spotting
in Beagle crossed dogs and Newfoundland dogs. Animal Genetics
37, 606–7.

(10) Clark L.A., Wahl J.M., Rees C.A. & Murphy K.E. (2006) Retrotransposon
insertion in SILV is responsible for merle patterning of
the domestic dog. Proceedings of the National Academy of Sciences of
the United States of America 103, 1376–81.

(11) Benson K.F., Li F-Q., Person R.E. et al. (2003) Mutations associated
with neutropenia in dogs and humans disrupt intracellular
transport of neutrophil elastase. Nature Genetics 35, 90–6.